Beitrag im Nordkurier vom 21.1.2015
Mutter hält nichts von Kita-Privatisierung
Ein fester Rhythmus, enge Beziehung zu den Erziehern – das ist es, was Karlchen braucht. Sollte der Landkreis die Neubrandenburger Einrichtung „Stolpersteinchen“ tatsächlich privatisieren, dann könnte die Welt des kleinen Jungen zusammenbrechen. Das befürchtet seine Mutter und wehrt sich.
Karlchen dreht sich vergnügt auf der Matte hin und her. Der Junge spielt mit seiner Erzieherin im Wahrnehmungs- und Sinnesraum der Frühfördereinrichtung „Stolpersteinchen“ in Neubrandenburg. Und Karl ahnt nicht, dass dieses Glück schon bald zerbrechen könnte.
Denn der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte will die Einrichtung loswerden. „Privatisierung“ ist das Wort, dass die Runde macht und Karlchens Mutter einige Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Denn Karl ist ein besonderes Kind, so wie die anderen 32 in der Kita auch. Manche sind mehrfach schwerst behindert, andere weisen Entwicklungsrückstände auf. „Die Kinder, die zu uns kommen, sind diejenigen, die nicht in Integrationsgruppen der Kitas betreut werden können“, sagt Kita-Leiterin Ilonka Vigohl.
Als Karl vor zweieinhalb Jahren in die „Stolpersteinchen“-Kita kam, konnte er nicht alleine sitzen, nicht laufen, nicht sprechen. Er sah schlecht und das Essen musste ihm gereicht werden. „Karl nimmt jetzt seine Umwelt wahr. Vorher hat er nur geschlafen, lebte zurückgezogen in seiner eigenen Welt“, beschreibt Lisa Kühnast die Veränderung.
Fester Rhythmus und enge Bindung
Karl ist in der Spatzengruppe. Zwei Erzieher kümmern sich um sieben Kinder. Nur durch so eine enge Beziehung können Kinder wie Karl in ihrer Entwicklung gefördert werden. Denn Karl kann sich nicht mit deutlichen Worten verständigen. Er braucht Erzieher, die ihm schon an der Nasenspitze ansehen, was er will – und er braucht seine festen Abläufe. Veränderung bedeutet für Karl Unsicherheit und Stagnation in seiner Entwicklung.
Genau das aber befürchtet Lisa Kühnast, wenn die Kindereinrichtung tatsächlich in freie Trägerschaft gegeben werden soll. Und Karl ist nicht das einzige Kind, das feste Rhythmen und enge Beziehungen braucht, denn in der Einrichtung werden mehrere Kinder mit Autismus betreut.
Freier Träger sei besser geeignet
„Das Wohl der Kinder steht an oberster Stelle“, versucht Dirk Rautmann vom Schulverwaltungsamt des Landkreises zu beruhigen. Er bestätigt, dass es ein Interessenbekundungsverfahren gegeben hat. Fünf freie Träger hatten sich beworben und ab 1. März soll die Einrichtung von einem freien Träger geführt werden. Das letzte Wort wird dabei aber Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD) haben.
Für den Landkreis scheint die Sache klar zu sein. Das Schulverwaltungsamt habe keine Fachkompetenz und Erfahrung, um so eine Einrichtung zu führen, so Rautmann. Darum sei „Stolpersteinchen“ in der Hand eines freien Trägers besser aufgehoben. Die Sorgen der Eltern seien unbegründete Vorbehalte, die bei einer Belegschaftsversammlung am 28. Januar geklärt werden sollen.
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